Am Ende

Kleine Anmerkung am Rande: Diesen Beitrag habe ich bereits in Kanada begonnen, aber aus faulen Gründen nicht dort beendet. Nun fehlt mir die Zeit alles anzupassen.

Am Ende bin ich dann doch dort wo alles begann. Zurück in Vancouver schon seit ein paar Tagen. Nun, nicht direkt Vancouver und eigentlich nicht direkt dort wo ich angefangen habe. Ich bin wieder bei Nichole und Jason in Tsawwassen untergekommen. Wieder einmal wurde ich herzlich aufgenommen und mein Aufenthalt hier bis zu meinem Flug nach Toronto diesen Freitag ist auch gesichert. Wenn das nicht mal ein gebührlicher Abschied ist! Und das Auto ist weg! Eine SMS von unbekannt verleitete mich dazu nochmals das Problem mit dem Überhitzen anzufassen. Neu hätten die Teile (Blower Motor Resistor, so zumindes vermutete ich es) um die 140 Dollar gekostet. Einbau nicht inkludiert. Hui…mutig fragte ich nach einem Schrottplatz. Und siehe da! Hinter Richmond gab es einen extra nur für Fordleichen. Für stolze 22 Bucks konnte ich die gebrauchten Teile ergattern, nachdem ich selber durch die Reihen gegangen bin und Verbindungsstecker und Resistor gefunden hatte. Rund 30 Minuten hat mich der Einbau gekostet. Wahrscheinlich länger. Die Situation: Der Stecker zum Resistor ist leider nur zu einer Seite hin ein Stecker, sprich ich musste zwei Kabel miteinander verbinden. Hui…mit solchen Kabelkanälen oder wie die Dinger heißen habe ich es mit Müh und Not hinbekommen. In Fachsprache auch „Rednecked it up“ gennant. Dennoch, der Lüfter springt ohne Klimaanlage an. Überhitzung ade! Zwar verkaufte ich mein Auto schlussendlich an jemand anderen, aber weg is weg.

Glacier National Park

Nun, ich bezahlte zuviel für die Beseitigung meines Lecks, war aber froh endlich voranschreiten zu können. Die Überhitzung war zu dem Zeitpunkt noch nicht erledigt, aber ich fuhr wesentlich beruhigter zu meinem nächsten Ziel: Der Glacier National Park! Knapp unterhalb der kanadischen Grenze wollte ich mir doch noch einmal die Rockies gönnen, nur diesmal von der amerikanischen Seite. Noch in Cut Banks überlegte ich mir, dass eine sinnvolle Investion wäre noch einmal den Campground zu wählen, um eine ordentliche Mütze Schlaf (nachdem ich die Nacht zuvor auf einem Parkplatz geschlafen habe) zu bekommen. Doch Pustekuchen. Gegen vier Uhr morgens begann der Wind auf sich aufmerksam zu machen. Zeitweise dachte ich ich fliege samt Zelt davon. Relativ früh befand ich mich dann also auch auf dem Weg nach Glacier. Im Park schaute ich mir zwar noch den halben Trail zum Hidden Lake, ausgehend vom Logan Pass, an (plus Überhitzung meiner Kühlflüssigkeit dank bergauf), doch ich war so müde, dass ich beschloss früher Richtung St. Mary Campground zurückzufahren. Es war noch hell, da lag ich unter meinem dünnen Zeltdach und konnte kaum die Augen aufhalten. Binnen Sekunden war ich auch schon der Traumwelt entschwunden. Zwar bin ich kurz vor vier aufgewacht doch hielt dies nicht lange an. Mein Plan für den Folgetag: Den Highline Trail laufen. Mit guten 12 Meilen zwar kein Rundtripp, dank der Buslinie aber kein Problem. Gegen 9 Uhr startete ich vom Logan Pass aus entlang des Berges.

Hiking, Hiking

Mittlerweile macht mir das Wandern richtig Spaß. Es fühlt sich fast an wie eine Leidenschaft, vorausgesetzt die richtige Umgebung liegt vor. Der Highline Trail war einfach nur bombastisch. Zumindest bis zu einer Berghütte. Die letzten vier Meilen waren ziemlich langweilig und nicht ansatzweise so dramtisch. Wie z.B. der etwa ein Km lange Extraweg zu einem Gletscheraussichtspunkt. Der Weg war ziemlich steil und ich musste öfters Pausen einlegen. Doch die Aussicht war es allemal wert. Gute neun Stunden hat mich der ganze Spaß gekostet und ich war unsicher, ob ich für den nächsten Tag gleich noch einen weiteren Hike einlegen sollte. Meine Anfrage für den gleichen Campingplatz für die folgende Nacht wurde leider verneint, so dass ich gleich noch gegen sieben Uhr morgens auf den anderen wechselte. Noch als ich meinen Bezahlumschlag in den Schlitz werfe kommt mir ein freundlicher Park Ranger entgegen. „Wie schaut es denn hier aus mit Bären?“ „Ja, die sehe ich hier täglich.“ „Wann denn so?“ „Eigentlich fast zu jeder Zeit. Sie lieben besonders die Felswand am Ende des Campingplatzes.“ „Also dort wo Zeltplatz Nr. 9 ist?“ „Oh, das ist ein großartiger Platz!“ Klar hab ich mir den Platz ausgesucht…das konnte ja heiter werden. Zwar war bereits auf dem anderem Campground die Warnung vor Bären, aber dann doch nicht sooo deutlich nahe an der Realität. Doch ich schob die Gedanken erst einmal beiseite, hatte ich doch eh beschlossen durch Hauptgrizzly-Gebiet zu wandern. Alleine.

Wie man sein klatschen verbessert

„Hey, kann ich mich euch anschließen?“ So ganz wohl fühlte ich mich nicht bei dem Gedanken nun alleine durch das Gebiet der größeren Kuschelbären zu laufen. Schon früh, nachdem ich den Parkplatz verlaß und mich auf den Weg zum Swiftcurrent Mountain machte, fragte ich eine Gruppe von drei Personen. Freundlich aufnehmend, aber recht langsam bewegten wir uns auf dem Trail, der mit insgesamt guten 22 Km Rundweg noch einiges an Strecke versprach. Nur wenig später kam eine jüngere und wesentlich zügigere Gruppe vorbei und ich beschloss kurzerhand mich dieser anzuschließen. Doch schon während ich meine eigene Geschwindigkeit erhöhte erzählten sie mir, dass sie in wenigen Minuten den offiziellen Pfad verlassen und Backcountry Hiking betreiben würden. Nun gut, da war ich dann doch wieder wo ich schon vorher war: Alleine. Eine weite Rundumsicht ließ die Umgebung allerdings nicht zu. Relativ nah zum kleinen Weg wuchs Gebüsch und Bäume, so dass eine Überraschung nicht unbedingt sehr fern lag. Am Anfang etwas schüchtern, später dann akzeptierend klatschte ich mich durch das Tal. Ab und zu sabbelte ich noch etwas auf Deutsch und Englisch. Für eine ganze Weile zog sich dies auch hin und traf niemanden an, was mich hinsichtlich der Grizzli durchaus beruhigte. Irgendwann, ich muss schon eine ganze Ecke gelaufen sein, kam mir ebenfalls ein einsamer Wanderer entgegen. Wir beide stoppten und kamen ins Gespräch. Er trug weder Rucksack noch Bärenspray. Seine Warnung vor einem Puma, welchen er eben gerade gesehen hatte, so etwas 50 Meter entfernt von ihm, ließen mich nicht gerade Hoffnung schöpfen, dass ich den Trail alleine weiter antreten sollte. Auf meine etwas verdutzte Frage, wie er sich ohne Bärenspray im Notfall überhaupt verteidigen will dreht er sich nur um und zieht sein Hemd hoch. Die Glock, mit der ich nur ein paar Tage vorher selber auf dem Schießstand geschossen habe, strahlte mich an. Welcome to ´Murica!

Welches der Handtücher ist weicher?

Ein Pärchen kam vorbei und ich schilderte meine Situation. Lachend, weil ich nicht gegessen werden wollte von den Kuschelkillern, boten sie mir gerne an mich ihnen anzuschließen. Nun stapften wir also zu dritt durch die Walachei, wobei wir uns auch kennenlernten und jede Menge lachen mussten. Mit Mandy und Dan hatte ich zwei Volltreffer gelandet und die mindestens sechs weiteren Stunden gemeinsamer Hike flogen nur so dahin. Endlich erreichten wir auch irgendwann einen Aufstieg, denn das Tal war auf Dauer auch nicht der Hit. Insbesondere nicht zum Trail den ich am Vortag gelaufen bin. Scherzhaft erinnert mich Dan daran, dass wir nun das Grizzly Gebiet verlassen, uns dafür aber im Puma Raum aufhalten würden. Gemeinsam suchten wir nach der „Mountain Lion litterbox“, nachdem wir für uns entschieden, dass Pumas auch nur große Arschlochkatzen sind, die einen vom Berg schubsen, so wie eine Stubenkatze ein Glas vom Regal stößt. Die letzten zwei Km den Swiftcurrent Mountain hinauf verlangten noch einmal alles von mir ab. Die Aussicht wurde aber von Meter zu Meter spektakulärer und eine kleine Hütte am Gipfel versprach einen noch größeren Mehrwert der geopferten Energie. Oben angekommen wurden wir zwar nicht gefragt welches Handtuch denn nun weicher ist, aber immerhin konnten wir in Erfahrung bringen, dass dies einer der höchsten Ausguckspunkte im ganzen Glacierpark ist. Na wenn das doch mal nichts ist.

Unruhige Nacht, langer Tag

So gegen kurz nach zehn erreichte ich mein Zelt, schlüpfte völlig dreckig und verschwitzt vom Hike in den Schlafsack und versuchte meine aufdringlichen Gedanken bezüglich der Bären zu verdrängen. Plötzlich knackte und knirschte es etwas entfernt und so ganz sicher war ich mir dann nicht, was es gewesen ist. Plötzlich wurde es lauter und es klang so, als ob große Steine einen Baum umreißen würden. Bevor ich überhaupt reagieren konnte war es wieder vorbei und ich lugte aus dem Zelt. Vom Platz nebenan kamen Rufe ob alles okay sei und ich bejahte. Mit Taschenlampen bewaffnet schauten sie sich um. Irgendwas Größeres muss es schon gewesen sein. Damit hatte sich die Nacht für mich auch bereits erledigt und erleichter stand ich früh morgens auf, duschte mich schnell und machte mich auf den Weg. Ich hatte keinen Plan wohin es gehen sollte, denn einen weiteren Hike wollte ich mir nicht antun, auch wenn ich wahnsinnig interessiert war. Ich durchquerte den Park auf der „Going to the sun road“ und fuhr ganze 450 Meilen in Richtung Westen. Als großes Ziel hatte ich mir den Mount Baker kurzerhand ausgesucht, der dicht an der kanadischen Grenze und Vancouver liegt. Spät am Abend und bereits in Dunkelheit erreichte ich Wenatchee. Auf einem Mc Donalds Parkplatz besorgte ich mir meine tägliche Einheit Internet und schaute parallel nach einem gutem Gebiet zum schlafen, während ein Cop alle jungen Kids und ihre Prollautos um mich herum verscheuchte. Nach einiger Suche entschied ich mich für eine dunklere Straße und parkte mein Auto. Zwar fühlte ich mich noch immer nicht hundertprozentig wohl, doch ich konnte bereits wesentlich besser nächtigen. Ich schlängelte mich weiter durch die USA in Richtung Norden und erreichte irgendwann Sumas, ein kleiner Vorort direkt mit Grenzposten. Die nächsten zwei Nächte verbrachte ich auf einem Campingplatz und entschloss Mt. Baker auszulassen, da das Wetter eine gerechte Begutachtung mehr als verneinte.

Zurück nach Kanada

Bei Nichole und Jason half ich etwas im Garten aus, wobei ich mit Spitzhacke den harten Lehmboden auseinander prügelte. Was eine photokörperliche Arbeit! Eine großartige Nachricht ereilte mich, als Natascha mir meine korrigierte Version meiner Kinderstory zukommen ließ, doch darüber verfasse ich noch einmal einen eigenen Beitrag.
Am Abend meines Fluges nach Toronto bekam Nichole Besuch von Ebony (ein Familienmitglied von Nichole und ein Mädel welches ich beim Art Market getroffen hatte) und einer Freundin von ihr. Mit viel Blödsinn fuhren die beiden und Wayett (einer ihrer Söhne, überfragt bei der Schreibweise) mich zum Flughafen und verabschiedeten mich. Ein für mich gelungener Abschluss in Vancouver mit großartigen Leuten und dem guten Gewissen, dass ich alles richtig gemacht habe. Es war ein merkwürdiges Gefühl im Flieger zu sitzen, war ich doch bereits bereit meinen endgültigen Heimflug anzutreten. Doch der sollte noch etwas auf sich warten. Innerhalb Torontos erlebte ich aufgrund der kurzen Zeit von drei Tagen nicht mehr viel und das bisschen Sightseeing, was ich betrieb machte mir noch einmal klar, dass die Architektur sich nicht groß von den anderen Großstädten, die ich während meiner Reise sah, unterscheidet. Auf dem Weg zum Flughafen wurde ich von der Seite angesprochen und gefragt, ob es okay ist wenn er mich für eine kurze Strecke begleiten würde. Ich fühlte mich an Vancouver und die Kunst erinnert und bejahte. Das Gespräch war zwar nicht ansatzweise so interessant, aber es zeigte mir, dass wir alle auf einer Reise sind.

Back in Germany

Der Flug ist nicht weiter nennenswert. Nichts spektakuläres ist mir widerfahren. Meine Vorfreude wieder nach Hause zu kommen war doch schon recht groß und als ich meinen Rucksack vom Laufband nahm und schulterte musste ich schon einmal kräftig durchatmen.

Es war vorbei.

Annähernd zwölf Monate verbrachte ich auf einem anderem Kontinent. Kannte niemanden und kam doch wieder mit dem Bewusstsein Freunde gewonnen zu haben. Nun, nach knapp zwei Monaten fällt es mir manchmal schwer daran zu glauben, dass ich das wirklich gemacht habe. Das ich wirklich „dort“ war. Im Moment; in der Vergangenheit. Besonders der Anblick der Bilder schickt mich zurück, in all die unzähligen ungewohnten, neuen Herausforderungen denen ich mich stellte, in all die unzähligen Bekanntschaften die ich während des Weges machte. Überwältigend. Ein für mich passendes Wort um es ansatzweise zu beschreiben. Dankbar bin ich vor allem auch, dass ich diesen Blog geschrieben habe, denn er half mir beim bereits während der Reise beim Verarbeiten meines Erlebten. Auf Facebook veröffentlichte ich diesen Text und verlinkte vieler der Menschen, die ich während meiner Reise traf:

„A year ago I was looking out of the window. A daily routine based on my comfort and my fear of what there might be behind the thin wall of glas. Waiting for me, reaching for me. But protected by my belief system I still stood on the side I knew. I felt save. I felt good. Why change? Why seek the unknown? But still…a voice, deep inside was calling my name. In an instance I knew that I needed to go. That I needed to open the window and experience the reality behind my self-made prison. As I arrived in Canada, on my own, not knowing anybody or anything about traveling like that…I felt…overwhelmed. Free…inspired…I didnt know that I have been all the time hungry for adventures outside my usual box. The ride to my first destination felt unbelievable. All those possibilites. All those opportunities. And all those windows I saw…but this time from the other side. My feelings were freed like a bird gliding through the wind, happy for just being alive and getting the chance to do what I felt was right and even far more than that. Now, after almost 12 month I look back on a time that I could have never imagined with my limited imagination. I did not only see a variety of stunning landscapes, did not only do so many new things. I did not just wander on earth, almost blinded by the beauty that our home is offering us. I wandered through my thinking; I wandered through my mind. I not only explored several parts of our planet, I saw fractions and reflections of myself in any little piece I saw and experienced. But more important than that, more important than my realization that life and earth is beautiful I am thankful for all the people I have met on my way. Without them, without you I would not write these words. Without you I might be already back behind my window, being afraid of what lies behind it. Countless times I said „Hello“ and countless times I said „Goodbye“. No matter how it worked out, no matter what happened, none of my encounters are unimportant or trivial. So I might experienced a real winter, I might experienced my first hitchhike, I might saw dolphins jumping right in front of the deck, I might went to an amazing remote place, might walked down the Grand Canyon, might saw the endless beaches of Oregon, drove over 14.000 km through beautiful country, saw the Rockies and many many more. But what really counts, what really drove me during my stay was how I got touched and inspiered by the people that traveled together with me. Not always on the same road, but for the same moment in time and place. And maybe, just maybe I did the same for you too. I know that some goodbyes will be final, I know that I dont recal every single encounter, but I do hope that some of the goodbyes are just temporary. I do hope that I will never forget who I owe that I am the person that I am now, even though I did the first step. 12 months…not that much and it feels like 12 days. But I did it, I experienced it, I lived it and I made friends. Thank you for everything and may your way be brighten up by other people that inspire you. And maybe, just maybe one day we will meet again on the road saying „Hello“ to each other!“

Ein großes Danke gebührt auch Euch, meinen treuen Lesern meiner kleinen Abenteuer irgendwo weit weg. Danke! Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass es Menschen da draußen gibt, die sich für das, was ich erlebe interessieren und ich würde nur zu gerne von Euch erfahren, was ihr so erlebt habt während der Zeit. Es müssen aufregende Dinge gewesen sein!

Die Zukunft

Ich weiß nicht wie es mit dem Blog weitergehen soll. Behalten möchte ich ihn auf jeden Fall, doch mit welchen Inhalten ich ihn füllen will ist fraglich. Der Grund war die Reise. Die ist nun vorbei. Ob ihr am Ball bleiben wollt liegt an Euch und ich bin nicht böse, solltet ihr mir nicht mehr folgen wollen. Vielleicht packe ich eines Tages noch einmal eine Reise an, vielleicht auch nie wieder. Die Zukunft ist ungewiss. Was immer es auch sein mag, dass Universum wird großzügig sein, oder nicht?

Euer Christian

Schreibe einen Kommentar