Auf Wiedersehen, Kanada

Nach über sechs Wochen fuhr ich ein letztes Mal auf die Fähre, die zwischen Quadra Island und Campbell River tingelt. Es geht weiter. Immer. Die Frage ist nur wohin. Für mich habe ich das nun wie folgt beantwortet: Ab in die USA. Raus aus Kanada. Hinunter die Westküste bis nach San Francisco und dann ins Landesinnere. Ihr wisst schon…Nevada, Utah, Arizona…Grand Canyon, Zion National Park, Antelope Canyon… Yeah! Wo ich doch so ein großer Fan von Hitze bin. Gerade letztens habe ich aufgeschnappt das uns einer der heißesten Sommer überhaupt bevorsteht, Kalifornien hat nächstes Jahr kein Trinkwasser mehr und in Las Vegas sind dieses Wochenende 38 Grad. Dazu kommt noch eine etwas andere Mentalität und na ja, es ist halt ´Murica. Die ticken anders. Genau wie mein Auto, denn das tickt auch wie es will. Gerade auf dem Weg von Vancouver Island nach Vancouver, kurze Pause eingelegt, Versuch zu starten –> nope. Kein Leerlauf, Maschine geht einfach aus. Nun, shit. Aus Verzweiflung nicht zu wissen was ich machen soll stand ich einfach da. Währenddessen kühlte der Motor etwas ab und irgendwann versuchte ich es noch einmal. Voila! Engine is running again. Mutig machte ich den Test in Parksville. Selbes Phänomen. Ich rief Jim an. Noch auf meinem Weg zum Fährterminal schickte er mir haufenweise Informationen. Und ich möge doch bitte nicht vergessen auch Spaß zu haben. Den hatte ich, als ich rund 30 Minuten vor Boarding der Fähre in einer der vielen Reihe stand und die Motorhaube öffnete, damit der Motor abkühlen konnte.

Auf Wiedersehen, Quadra

Die Zeit auf der kleinen Insel war abwechslungsreich und abenteuerlich. Hier ein paar Dinge, die ich gelernt und gemacht habe.

1. Unglaublich viele Tools benutzt
Alle möglichen Sägen, Schleifer, Hammer, Seilwinden, Bohrer…unzählige Dinge. Ein freudiges Erlebnis hatte ich dann beim Baumarkt, als ich all die Dinge wiedererkannt habe. Nicht mehr: Oh my, was ist das denn? Sondern: Ja, das kenn ich. Ein cooles Gefühl.

2. Standard System
Hach ja, das metrische System ist wahrlich easy. 8mm, 9mm, und so weiter. Das Standard System ist da etwas anders. Wie wäre es mit 15/16? Oder 7/8? Genau, ist 7/8 ja auch nur eine Nummer kleiner als 15/16. Also: 16/16 (entspricht also 1´); 15/16; 7/8; 13/16; 3/4; 11/16; 5/8; 9/16; 1/2; 7/16; 3/8; 5/16; 1/4; 3/16; 1/8; 1/16. Ist doch einfach, oder?

3. Zahnriemen
Jap, die Kiste läuft wieder. Dabei war insbesondere der Zahnriemen eine heikle Angelegenheit, da die Zahnräder exakt ausgerichtet sein und beim auflegen den neuen Riemens an derselben Stelle stehen mussten. Mit Müh und Not, ständiger Kontrolle und mehreren Youtube Videos und Anleitungen sowohl aus Handbuch und Internet spannten wir eines der wichtigsten Elemente wieder ein. Bei Wasserpumpe und Lichtmaschine bestanden die einzigen Hürden in zu engem Raum. Gemeinsam puzzelten wir den Motorraum wieder zusammen und als der Wagen ohne Probleme startete, feierten wir schon ein wenig mehr.

4. Hiking, Kajak, Segeln
Ja, ich hätte mehr hiken können, mehr mit den Kajaks raus können. Aber die Hiking-Trails die ich OLYMPUS DIGITAL CAMERAgelaufen bin haben mir schon sehr gefallen. Wobei ich schon etwas Bedenken bezüglich Pumas hatte…Das eine Mal mit dem Kajak raus war spannend und als ich mich zur Passage drehte und die Strömung und das ganze Wasser sah, welches vor mir lag, fühlte ich mich dann doch nicht mehr so wohl. Das Kajak ist allerding genius, da mit einer Art Tretantrieb. Der Segelausflug an einem Freitag war genial. Mein ständiges Genörgel mit dem Segelboot raus zu fahren führte also endlich dazu dies in Angriff zu nehmen. James (ein anderer Helfer) und ich durften dabei das vollbeladene Rettungsboot (mitOLYMPUS DIGITAL CAMERA Benzin, Außenbordmotor und was nicht sonst so) von Rebeccas Spit zum Segelboot rudern. Was ein Akt…und ich war dankbar, dass James darauf verzichtete zu rauchen. Benzingeruch lag in der Luft. Die Fahrt selber auf dem Segelboot war atemberaubend. Das Wetter war genial und die Landschaft ein Traum. Wir sind zu einer anderen Insel geschippert, haben übergesetzt mit dem Rettungsboot und einen kleinen Erkundungstrip gestartet. Weiter ging es entlang der Küste und für eine kurze Zeit sind wir sogar aktiv gesegelt! Mega spannend, wenn sich auch nicht sehr viel Wind blicken ließ. Später versuchten wir uns am Fischen und waren ziemlich erfolgreich. Wieder zu Hause angekommen gab es den frisch zubereiteten Fisch als „Fish & Chips“. Was ein cooler Tag! Abgesehen von meinen zerstochenen Beinen…

5. Allerhand Tipps und Tricks erlernt
Das Zauberwort ist dabei „Herangehensweise“. Dabei geht es nicht darum zu wissen wie man etwas konkret löst, sondern wie sich der Situation genähert werden kann. Außerdem habe ich von einem gelernten Zimmermann das „Siding“ beigebracht bekommen. Knoten wollten nicht ganz so in meinen Kopf, aber das möchte ich selber noch einmal angehen.

6. Keine wirklichen geplanten Tagesabläufe gehabt

Hier mal ein passendes Beispiel bei Jim:

Wir sind auf dem Weg zu Fishing Rod. Ein Freund von Jim. Im Gepäck haben wir den Hochdruckreiniger, denn neben der Hilfe für Rod das Auto seiner Tochter von einem geliehenen Anhänger zu entfernen bestand der Gedange auch gleichzeitig am Segelboot weiterzuarbeiten wollen. Zwei weitere Reisende sind vor kurzem eingetroffen (Phoebe („Fibi“ gesprochen) und Jamse), so dass wir zu viert eine gute Arbeitsverteilung haben würden. Das Auto ist ein alter Chrylser Laser. Nur ein paar Tausend wurden davon gebaut. Wir überlegen gemeinsam den besten Ort zu abstellen und entscheiden, dass wir vorher den Bus bewegen, der in einer der Ecken des Hofes steht. Dieser wurde schon seit gut zwei Jahren nicht mehr bewegt was hinsichtlich dieser Zeitspanne für einen platten Reifen gesorgt hat. Wir heben den Bus mit zwei nagelneuen Wagenhebern an und füllen das runde Gummi mit Luft. Gleichzeitig füllen wir Wasser und Öl und auf und starten die alte MOLYMPUS DIGITAL CAMERAühle, welcher ehemals als Bus auf dem Flughafen benutzt worden ist. Der Haken an der Geschichte: Der Bus ist vollgestopft mit alten Möbeln und Dingen. Kurzerhand beschließen wir den gesamten Inhalt in das oberste Stockwerk zu verfrachten. Darunter Kartons, Schränke und eine Couch. Ich fühlte mich wie beim Umzugsunternehmen und natürlich musste es nach ganz oben gehen. Nach einer kurzen Erfrischung bei Jim zu Hause ging es dann auch gleich weiter. Irgendwann war Projekt „Umzug“ auch beendet und wir konnten den Bus woanders parken. Daraufhin bin ich durch den Kofferraum (Türhebel war abgebrochen) zum Fahrersitz des Lasers geklettert und habe die Mühle an den gewünschten Platz manövriert. Am Ende des Tages hatten wir einen sehr dankbaren Rod vor uns, aber kein bisschen das Boot angefasst.

7. Allerhand Tiere gesehen
OLYMPUS DIGITAL CAMERAWale, Orcas (Ja, das sind auch Wale), Delfine, Tümmler (Ja, das sind auch Delfine), Kolibris, Schlangen, Spinnen, Ameisen und vor allem Ratten. Es herrschte eine Rattenplage und vermutlich tut es das noch immer. Eines Abends habe ich dann einer der großen Ratten gesehen und wir haben gleich eine Falle angebracht (vermutlich leben die Viecher unter dem Dach). Bäm! Vier Stunden später hing das Ungetüm herunter. Das ging flott. Bevor ich Quadra verließ hat es noch eine andere große Ratte erwischt.


8. Ölwechsel

Ich habe tatsächlich das Öl bei meinem Ford gewechselt. Ja, große Sache und so. Es war spannend und gar nicht mal so kompliziert, wie ich immer annahm.

9. Konversationen
Zahlreiche Gespräche rund um alle möglichen Themen hatten ihren Platz. Besonders allerdings halte ich die Einsicht in einen etwas anderen Lebenstil und andere Herangehensweise ans Leben. Beeindruckende Geschichten und auch Geschehen während meiner Anwesenheit rundetet den Cocktail perfekt ab. Beliebte Frage: „What is the meaning of it all?“ Beliebter Ausruf: „That is a beautiful thing!“ Beliebter Fluch: „Oh G!“ Beliebte Aussage: „Quadra good enough.“

10. Unglaubliche Unterstützung
Im Prinzip bin ich eine kleine Ausbildung durchlaufen und auch wenn Jim immer mal wieder deutlich gemacht hat, dass er meine Hilfe sehr wertschätzt, so hat er mir weit mehr geholfen als anders herum. Sowohl Jim und Maria gaben ihr Bestes mir eine gute Zeit zu ermöglichen und halfen mir tatkräftig bei meinen Vorbereitungen für meine nächste Reise. Ich habe nun Schaumstoff mit einem Bezug im Auto, die Scheiben mit einer Folie abgedunkelt und kleine Vorhänge. Perfekt!

Auf Wiedersehen, Komfort

Derzeitig bin ich noch bei Nichole und Jason in Vancouver. Die beiden haben mich gerne aufgenommen und ich muss aufpassen, dass ich mich nicht zu sehr an diesen Komfort gewöhne. Es ist Zeit. Zeit auf ein Abenteuer zu gehen. Ob ich vorbereitet bin weiß ich nicht. Was passieren wird weiß ich nicht. Was mit dem Auto ist weiß ich nicht. Was morgen sein wird? Weiß ich nicht. Meine Idee ist es aber meinen Weg weiterzugehen. Ob die Grenzbeamten mich in die USA lassen? Weiß ich nicht. Ist auch alles nicht mehr wichtig. Ich werde sehen was geschieht und dann reagieren, alles andere ist reine Verschwendung von Energie. Heute habe ich es mit ach und krach geschafft die Beamten davon zu überzeugen meinen Führerschein zu verlängern bis zum Ende meiner Reise. Wann das sein wird? Der Flug ist gebucht. Es geht nach Hause. Das Gefühl ist gut dabei. Was mich erwarten wird bleibt spannend. Wie es weiter gehen wird ist spannend. Ich habe Ideen, doch nichts konkretes. Unwichtig für den Moment. Um einen Sensor als mögliche Fehlerquelle auszuschließen habe ich mir ein Voltmeter gekauft und Messungen vorgenommen. Leider ist der Sensor okay, denn der Preis und der Austausch wäre im Rahmen des menschlichen gewesen. Ich bin stolz auf mich, ein Fortschritt den ich beibehalten will. Ein Fortschritt den ich ausbauen will. Endlich habe ich aufgehört zu atmen um zu existieren und begonnen zu leben. Was das bedeutet werde ich sehen. Eines Tages. Da bin ich mir sicher.

Euer Christian

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4 Gedanken zu „Auf Wiedersehen, Kanada“

  1. Ich glaube gehört zu haben, dass die kanadischen Ratten besonders schmackhaft sind. Daher sicherlich auch dein in Vorfreude verzückt dreinschauendes Gesicht 🙂

  2. Sehr cool was du da alles so beschreibst und erlebt hast Ich freue mich dass du eine neue Lebenseinstellung gefunden hast <3 Viel Erfolg auf den letzten Kilometern deiner Reise, die doch irgendwie nach einem Anfang einer noch größeren Reise klingt.
    Komm gesund und glücklich wieder nach Hause und genieße bis dahin jeden Moment deiner Reise- viel Erfolg auf dem Weg in die USA =)

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