Bright Angel Trail

Der Lichtkegel wandert auf und ab. Wirklich viel zu sehen ist nicht, doch die gewaltigen Umrisse der massiven Felsen heben sich ohne weiteres vom sternenklaren Nachthimmel ab. Ich schalte meine Kopflampe auf mehr Leistung um und ein kurzes „Wow…“ entflieht meinen Lippen. Die Felswände sind gigantisch! Doch lange halten wir uns nicht auf, denn jede Minute ist kostbar. Schnell wandert der Lichtkegel wieder gen staubigen und höchste Konzentration verlangenden Weg zurück. Es ist ungefähr drei Uhr Nachts und vor nicht mal einer halben Stunde haben Austin und ich den mühevollen Abstieg vom South Rim des Grand Canyons angetreten. Das Ziel: Der Colorado River. OLYMPUS DIGITAL CAMERAGanze zwei Tage haben wir uns genommen um sämtliche Vorbereitungen zu erledigen und unserem Körper etwas Ruhe nach dem kraftzehrendem Mt. Humphreys Hike zu gönnen. Unsere Rucksäcke schwer beladen steigen wir immer weiter hinab. Eines der entscheidenen Umstände bei diesem Hike ist anders als bei den meisten anderen. Denn die erste Hürde besteht nicht darin bergauf zu gehen, sondern erst hinabzusteigen. Das ist zwar minder anstrengend, doch genau darin liegt der fatale Trugschluss. Wie weit kann man gehen bis einem die Kräfte fehlen wieder umzukehren? Der vor uns liegende Hike ist nicht nur atemberaubend im Sinne der umliegenden Landschaft, sondern vor allem auf Grund seiner brutalen Eigenschaften, die ihn nicht umsonst zu einem der meistgefährlichen Hikes Amerikas kührt. Extrem hohe Temperaturen (in einigen Teilen bis zu 55 Grad Celcius), ein Höhenunterschied von knapp 1,5 KM je Weg und eine Gesamtlänge von ganzen 15 Meilen (24 KM) hätten uns eigentlich mehr als abschrecken sollen. Nun ja, offensichtlich nicht.

Dumm oder mutig?

Die Frage habe ich mir oft gestellt bevor wir den Plan umgesetzt haben. Auf dem Weg OLYMPUS DIGITAL CAMERAnach oben habe ich sie mit erstem beantwortet. Doch es war zu dem Zeitpunkt sowieso zu spät. Etwa gegen vier Uhr wurde es heller und die Umrisse des Canyons noch viel deutlicher. Eine halbe Stunde später erreichten wir den Indian Garden, der Campground auf unserer Seite des Flusses. Mittlerweile war es bereits so hell, dass wir unserer Taschenlampen nicht mehr brauchten. Der Garten an sich war eine Oase! Selbst auf unserem Weg hinab durchliefen wir unterschiedliche Temparaturen in kürzester Zeit. In einem Moment kühl und bereits warm bis heiß nur fünf Meter weiter. Doch der Garten versprach nicht nur eine konstante Kühle sondern auch eine Änderung der Flora und Fauna. Große Bäume versprachen Schutz in der knalligen Mittagssonne undOLYMPUS DIGITAL CAMERA die Düfte der umliegenden Pflanzen luden zum verweilen ein. Der Weg schlängelte sich für eine ganze Weile durch diese Insel des Lebens in der ansonsten umliegenden Ödnis der Wüste. Schilder mahnten uns ruhig zu sein um Camper nicht zu stören und eine Infotafel informierte uns, dass wir nur noch knappe 3,5 Meilen vom River entfernt waren. Zurückgelegt hatten wir bereits 4,7 Meilen auf dem Serpentinen reichen Abstieg. Kurz hinter dem Indian Garden durchstreiften wir eine kleine Felsschlucht mit einem daneben fließenden Bach um kurze Zeit später die Death Zone zu erreichen, auch bekannt unter dem Namen Devils Corkscrew. In diesem Bereich wird es bis besagten 55 Grad heiß, da die umliegenden Wände wie ein Backofen funktionieren. Die Devise: Beim Aufstieg vor acht Uhr morgens wieder im Indian Garden zu sein.

Der Fluss

Wir wussten nur in etwa was uns erwarten würde. Ab und zu kamen uns tatsächlich auch Wanderer entgegen. Beladen mit ihren großen Rucksäcken war deutlich, dass sie von einem der Campgrounds kamen. Viel gesprochen wurde nicht und ein kurzer Blick in die angestrengten Gesichter sorgte nicht gerade für Mut. Es war dennoch cool zu sehen, wenn unter uns die Lichter ihrer Taschenlampen umher suchten und wir kurze Zeit später aufeinander trafen. Jeder blieb für sich und allenfalls ein kurzer Gruß verlieh dem ganzen eine soziale Komponente. Auf unserem Weg hinunter trafen wir noch einige andere Weggefährten und die durch die Sonne bedingte Helligkeit lockerte auch den Willen zur Kommunikation. Wir erkundigten uns ab und zu nach der verbleibenden Dauer und einmal wurde uns natürlich mahnend der Finger gezeigt, als wir ehrlich auf die Frage reagierten, was unser OLYMPUS DIGITAL CAMERATagesziel ist. Unbeirrt setzten wir unseren Weg fort und um Punkt sechs Uhr sahen wir dann endlich den Fluss der seit Jahrmillionen dafür sorgt, dass Arizona ein Naturwunder hat welches seinesgleichen sucht. Doch umso beeindruckend die Ausblicke während unseres dreieinhalb stündigen Abstieges waren, stellte sich bei uns eine gewisse Ernüchterung beim Anblick des Colorado Rivers ein. Etwas spektakulärer hätte es ruhig sein dürfen. Doch auch hier gilt offenbar: Der Weg ist das Ziel. So machten wir uns nach guten 20 Minuten Aufenthalt wieder auf den Rückweg, denn die Sonne lugte über den Rand Canyons und verprach bereits in diesem Moment gnadenlose Kraft.

Eine große Gefahr

Alleine in meinem Rucksack befanden sich sieben Liter Wasser, ein Liter Electrolyte Drinks und ein Liter Kokusnuss Wasser. Als Nahrung hatten wir Salzkekse, Trailmix, Reis und Energyriegel dabei. Zustäzlich hatten wir je noch ein fünf Stunden Energie versprechenden Minidrink an Bord. Bereits bei den ersten Stufen schoss mir nur ein Gedanke durch den Kopf: Das packe ich nicht. Nicht unbedingt OLYMPUS DIGITAL CAMERAwegen der Hitze, denn noch immer bewegten wir uns im Schatten, doch der Blick nach oben machte deutlich, dass die Sonne auf dem Vormarsch war. Wir arbeiteten hart daran die Death Zone so schnell es nur geht zu durchqueren und die letzten Stufen beschritten wir bereits im direkten Sonnenlicht. Meine Beine fühlten sich matt an und jeder Schritt war mit großem Aufwand verbunden. Ich malte mir gar nicht aus wie es noch werden würde auf unserem weiterem Aufstieg. Mein Geist klammerte sich nur an einen Gedanken: Durchhalten! Sobald wir in einen Bereich mit Schatten kamen nutzten wir die Gelegenheit für eine kurze Rast. Der kleine Canyon hinter der Todeszone versprach Abkühlung und gegen kurz nach acht erreichten wir den Indian Garden. Ganze zwei Stunden brauchten wir vom Fluss zum Campground. Im Prinzip gar nicht mal so schlecht! Erschöpft und müde (natürlich haben wir die Nacht durchgemacht und keinen Schlaf gehabt) legten wir uns auf einer der Bänke und ratzten schon fast sofort ein. Geweckt wurde ich durch ein Rascheln direkt neben mir. Ich schreckte hoch und sah wie ein Eichhörnchen sich an meinem Rucksack zu schaffen machte. Was war denn hier los?

Eichhörnchenmafia

Erst nachdem ich aufgestanden bin ist dem Fellknäuel tatsächlich aufgefallen, dass es das Beste für ihn wäre den Platz zu wechseln. Schaden konnte ich zum Glück nicht feststellen. Wenig später, als Austin und ich etwas aßen und uns weiterhin erholten so gut es ging, raschelte sein Rucksack. Wir schauten uns an und erst dachte er ich sei es, der die Geräusche verursacht. Doch ein schneller Blick machte deutlich: Ein weiteres Einhörnchen machte sich an seiner Packtasche zu schaffen. Es versuchte den Rucksack umzudrehen! Ab diesem Moment hielten wir Ausschau und entdeckten noch zwei weitere Fellwesen, die uns beobachten. Wir beschlossen weiter am Aufstieg zu arbeiten und bereiteten uns vor. Die letzten Tropfen Kokusnuss Wasser verteilte ich auf eineOLYMPUS DIGITAL CAMERAm der Eichhörnchen. Die Reaktion war gruselig. Unbeirrt eine Nuss kauend schaut es mich an mit dem unmissverständlichen Ausdruck: Alter, bist du nicht ganz dicht? Wir fantasierten, dass diese Eichhörnchen einer Mafia angehören, die Dinge von Reisenden klauen und sie anderen verkaufen. Kurz nach neun Uhr verließen wir die Schutz spendende Oase und begaben uns in die Wüste mit dem Blick auf eine schier unüberwindbare Mauer aus Gestein. Die Pause war mehr als notwendig und hatte positive Auswirkung auf unser Wohlbefinden. Langsam aber stetig stiegen wir immer weiter bergauf.

Bis zum Schluss

Besonders hatten wir mit den Stufen zu kämpfen. Teilweise schon fast unnötig ragten kleine Hölzer quer über den Weg und machten es noch mühseliger als sowieso schon sich aufwärts zu bewegen. Fühlten wir bis zu einem gewissen Punkt noch unsere Beine, gaben sie bald auch schon auf auf sich aufmerksam zu machen. Getreu dem Motto, dass wir eh nichts an unserer Richtung ändern würden. Teilweise sahen wir bestimmte Gruppen oder Wanderer immer mal wieder und es war fast schon lustig sich erneut zu begrüßen. Teilweise wurden wir auch angefeuert. Wir mussten wirklich fertig ausgesehen haben. An einer der Wasserstellen tränkte ich mein Handtuch und band es mir um IMAG0551meinen Kopf. Eine herrliche Abkühlung! Doch nicht nur vermehrt Menschen ließen sich blicken, auch eine Gruppe von Maultieren schlängelte sich den Pfad hinunter, beladen mit Nachschüben. Kurz nach einer Pause begneten wir einem Ranger der uns freundlich fragte, ob wir denn gecampt haben. Austin und ich schauten uns nur an und erzählten blind die Wahrheit. Doch anstelle von Rüge und Besserwisserei bekamen wir nur die Antwort: „Solche Hikes habe ich früher auch gemacht!“ Was sollten sie sons auch machen, denn rausschmeißen war ja gar nicht mehr möglich. Er fragte uns ob wir zwei jungen Mädels über den Weg gelaufen sind die beschlossen hatten nur mit ein paar Chips und ein wenig Wasser bewaffnet bis ganz herunter zu laufen. Aber so ganz sicher waren wir nicht mehr. Meine Wasserflasche baumelte direkt neben mir, ich hatte extra für den Hike eines dieser coolen Katzen T-Shirts gekauft und teilweise hatte ich sogar mein Cappy auf meinem Handtuch. Kein Wunder das einige mich nur verwundert anschauten als ich sie freundlich begrüßte. Nach ein paar letzten Anstrengungen erreichten wir das Eingangschild. Wir hatten es tatsächlich geschafft! Nach guten sieben Stunden Aufstieg hieß es nun Wunden lecken und ausruhen!

Fazit

Nicht noch einmal! Oder doch? Ich denke nicht. Wir hatten verdammt viel Glück, denn die Sonne war teilweise bedeckt durch Wolken was uns extremst half. Bin ich froh es getan zu haben? Ja! Vermutlich war es tatsächlich dumm und unüberlegt. Doch eigentlich wussten wir über die Gefahren Bescheid. Wir sind daher bewusst das Risiko eingegangen eventuell im Bright Angel Trail dauerhaft zu verweilen. Würde ich den Hike empfehlen? Nein! Nicht an einem Tage. Offensichtlich ist es machbar, jedoch spielen zu viele Faktoren eine Rolle. Gerne hätte ich noch die Phantom Ranch gesehen und auch den Bright Angel Campground sowie die Brücke, die über den Fluss führt. Doch all das war zu weit weg für einen Tagesmarsch. Mir geht es erstaunlich gut ich verspühre so gut wie kein Muskelkater. Mit elf Stunden Gesamtzeit ein aufreibender und Kräfte zehrender Hike, der jedoch durch seine brutale Schönheit und Abwechslung zu überzeugen weiß. Würde ich den Trail an sich empfehlen? Ja, definitiv! Dann jedoch mit einer Erlaubnis auf einem der Camping Plätze zu verweilen. Denn das ist etwas, was ich das nächste Mal auch tun werde.

Euer Christian

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2 Gedanken zu „Bright Angel Trail“

  1. Sieben Liter Wasser 🙂 good god. Wieviel waren denn am Ende noch übrig? 5? 🙂
    Ich hoffe doch, dass du Fotos von den Einhörnchen gemacht hast…ich liebe diese Tierchen. Unterm Strich würde ich sagen: Eine Erfahrung reicher. Danke fürs Teilen, ich lese deine Berichte immer wieder gerne.

    1. Haha, ich glaube ich hatte noch gute 2 1/2 Liter übrig 😀 Nee, Fotos habe ich mir geklemmt. Wollte ihnen nicht zeigen, dass ich eine Kamera habe 😉 Bist du nicht schon selbst in Kanada?

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