Dann bau ich mir halt ein Iglo

Wie geht es euch so? Was macht ihr so? Kämpft der Januar auch so gegen euch an? Oder erweckt es zumindest den Anschein? Just eine Minute zuvor erhalte ich diese Information: „It´s just the way of the north.” Letzte Woche habe ich gehört, dass der 19. Januar statistisch gesehen der Tag mit der größten Enttäuschung des Jahres zusammenhängt (der so genannte Blue Monday). Lustig, denn genau dies war der Tag, an dem ich die horrende Versicherungssumme für das Auto erfahren habe und mein Traum ein eigenes Auto für die nächste Zeit zu haben wie eine Seifenblase geplatzt ist. Aber diese Seifenblase ist nicht einfach irgendwo gegenstoßen. Nein, keine Bettkante. Kein Schmetterling und kein Glas standen im Weg. Nein, eine laufende Kettensäge auf Hochtouren hat die Blase auf übelste hingerichtet und nicht nur das, das Seifenblasenwerkzeug ist dabei gleich mit hops gegangen. Der kleine junge im Hintergrund fällt auf die Knie, badet im Rest der Seifenlauge, sucht nach der Brille und schmiert sich Lauge ins Auge, während er sie reibt um besser zu sehen. Rot brennend und tränend laufen seine Glubscher aus und dennoch versucht er klar zu sehen. Die Ohren gefüllt mit der jaulenden Säge und dem Gelächter des Halters. Wutentbrannt steht der Junge auf und schreit: „Pah, bau ich mir halt ein Iglo!“

Wat?

Ungefähr so fühle ich mich gerade. Und nein, ich bin nicht der Besitzer der Kettensäge. Der Januar war nur….komisch. Von dem einen Host hatte ich euch ja bereits berichtet. Nur ein paar Tage später erreichte mich ein anderes Angebot. Diesmal aus Saskatchewan. Klang super interessant. Eine Farm suchte für Anfang Februar Hilfe für ihre Kühe die bald kalben werden. Dabei gäbe es Aufgaben primär für diese Tiere (und weitere) und generelle Tätigkeiten rund um die Farm. Eigentlich wollte ich nicht unbedingt in den Osten Kanadas, aber die Erfahrung mit dem Host zuvor lehrte mich diesmal schneller zu reagieren. Ich zeigte mich interessiert und bat um mehr Informationen, stellte Fragen und schaute bereits ein paar Flugtickets in diese Region heraus. Die zweite E-Mail brannte mein vorläufiges Konstrukt aber auf einem Schlag nieder. Meine Fragen wurden wunderbar und sehr ausführlich beantwortet und es machte alles einen sehr netten Eindruck. Doch das zusätzlich angehängte Informationsblatt haute mich aus den Socken. Gleich der erste Punkt sprach davon, dass sie nicht mit Homosexuellen arbeiten können und wollen, dass sie so erzogen worden sind und in einer Zeit aufwuchsen, wo dies nicht so offen gehandhabt wurde. Ich dachte mich trifft der Schlag! Im ersten Moment wusste ich nicht so recht, was ich davon halten sollte. Mir wurde jedoch mehr und mehr bewusst, dass ein solches Vorurteil für mich ein No-Go ist. Der Gedanke mit solch kurzsichtigen Menschen zusammenzuarbeiten füllte mich nicht gerade mit Zufriedenheit. Ich kämpfte ziemlich mit mir. Auf der einen Seite waren sie grundlos ehrlich, auf der anderen Seite diskriminieren sie Menschen. Ich entschloss das Angebot auszuschlagen und als ich Marie die Mail zeigte bekam ich breite Unterstützung. Sie meinte nur, dass sie für eine solche Aussage angezeigt werden könnten. Meine Antwort an die Farm war dennoch freundlich und höflich, doch ich machte klar, dass ich mit homophoben Menschen nicht zusammenarbeiten kann (ist das eigentlich auch eine Diskriminierung?) und möchte. In der Zwischenzeit wurden drei Anfragen meinerseits an Hosts abgelehnt. Dabei versuchte ich es auf Vancouver Island, in Dawson City und irgendwo in der Mitte von BC. Eine weitere Anfrage nahe Vancouver wurde nicht einmal beantwortet. Marie meinte, dass bestimmt andere Angebote kommen werden und ich nur Geduld haben brauchte. Leider kam bisher nichts mehr rein.

Alte Idee muss her!

Okay, was denn dann? Schon die ganze Zeit ist es mein Traum ein eigenes Auto zu haben. Freiheit und den Wind um die Ohren zu spüren. Vielleicht nicht gerade -30 Grad kalten Wind, aber Wind! Was liegt also näher als nach Autos zu schauen? Auf Kijiji suchte ich ein paar Karren raus. Ich steckte mein ungefähres Budget ab und bat Terry mir zu helfen. Er meint zwar, dass er nicht so viel Ahnung von Auto hätte, aber das bezweifle ich stark. Die gemeinsame Probefahrt in einem Toyota Corolla Baujahr 2001 machte klar, dass das Auto vielleicht 2.000 Dollars wert ist und nicht die 1.300 Dollars mehr, die angeschlagen worden sind. Toyotas werden gut und gerne hier gefahren. Sie stechen besonders bei der Zuverlässigkeit beim Starten bei kalten Temperaturen heraus. Ich bedankte mich für die Probefahrt und meinte zu ihr, dass ich noch weitere Angebote anschauen und danach vielleicht mit einem Angebot zurückkommen werde. Ein Mazda aus demselben Baujahr sah wirklich gut aus. Wesentlich gepflegter, aber auch teurer. Ganze 3.500 Dollars wollte der Besitzer haben. Nun, sollte ich es wagen oder nicht? Ich haderte mit mir. Die Katze im Sack kaufen? Was wenn es doch eine Gurke ist? Ich hatte ellenlange Gespräche dazu mit Marie und Terry. Letzen Endes fasste ich mir ans Herz und rief den Besitzer an. Kaufen! Wir vereinbarten für Montag eine Zeit für Übergabe plus offizielle Eintragung. Cash versteht sich. Am Sonntag bin ich zur Bank an den Automaten und habe herausgefunden, dass ich mit meiner Kreditkarte 400 Dollars abheben kann. Kurz ausgerechnet wie lange ich für die Gesamtsummer brauchen würde… Am Montag machte ich ihm klar, dass ich das Auto gerne kaufen will, jedoch länger als erwartet dafür brauchen würde. Ich bot ihm eine Vorauszahlung von 400 Dollars an und bat ihn um zwei Wochen Zeit (sicherheitshalber). Das war ihm zu lang für das Risiko, dass ich am Ende doch noch abspringe. Er wollte dafür das Geld dann behalten. Zwischen Tür und Angel stand ich da nun. Das Auto in greifbarer Nähe und endlich eine Idee wie es weitergehen sollte. Ich rang mit mir und willigte für die Hälfte ein. Schon beim Handschlag war mir mulmig zu mute. Die Nacht zuvor hatte ich bei meiner Bank angerufen, konnte aber leider keine nützlichen Funktionen angeboten bekommen, die mir auf internationaler Ebene hätten helfen können. Geistig notierte ich mir bereits einen Bankwechsel zu vollziehen, sobald ich wieder in Deutschland bin. Zurück in Kanada fuhr ich direkt im Anschluss zur Bank und hob mit meiner EC Karte etwas mehr Geld ab. Ein weiterer Punkt auf meiner Liste: Versicherung checken. Terry meinte schon, dass es so um die 300-500 Dollars werden könnten. Ich weiß es noch als ob es heute gewesen wäre. Da saß ich auf diesem Stuhl bei der Versicherung, hatte mein gratis Barbecue Set auf dem Tisch liegen und schaute der Mitarbeiterin beim Telefonieren zu. Gleich nachdem sie fertig mit dem Gespräch war zeigte sie mir ihr Ergebnis und alles was sie dann noch sagte, entfiel meiner bewussten Aufnahmefähigkeit. Die Endsummer glotzte mich an und ich die Endsumme. Weitere 1500 Dollars für ein Jahr Versicherung. Ich wusste gar nicht, dass Seifenlauge so dermaßen brennen kann.

Es passt nicht

Das ganze Geld investieren ohne einen einzigen KM gefahren zu sein? Sollte ich das tatsächlich machen? Es war mir doch irgendwie zu viel…Der Yukon River hat eine verdammt starke Strömung, aber ich bin zuversichtlich, dass ich durch das erneute Zurückrudern mich schneller flussaufwärts statt flussabwärts bewegt hätte. Am Telefon erklärte ich dem Besitzer des Autos die Lage und bat ihn trotz Vereinbarung mir das Geld wiederzugeben. Er war nicht sehr happy, stimmte dem aber zu. Wenigstens hatte ich keinen Verlust gemacht! Was gab es sonst als Möglichkeit? Meine Bemühungen über Couchsurfing jemanden in Dawson City zu finden waren hoffnungslos. Entweder habe ich keine Antwort bekommen oder eine Absage. Da gab es noch die Fähren von Alaska nach Prince Rupert und von dort weiter nach Vancouver Island. Das klang doch richtig nach Abenteuer! Ich hatte etwas Sorge um das amerikanische Visa, konnte dies aber mit einem Telefonat mit der Grenze klären. Doof nur, dass die letzten Fähren zur Zeit meiner Autosuche und Entscheidung ablegten. Es wird keine Fähre mehr bis Ende März fahren. Ich fühlte mich wie einer dieser Puppen, die sich mehr und mehr in die eigenen Stricke verfing. Daneben passierten dann noch kleine Dinge. So habe ich mir für 35 Dollars eine neue Badehose gekauft um dann damit nur im heißen Pool herumzulungern, da alle anderen Becken für die nächsten zwei Stunden aufgrund von Übungen gesperrt waren. Nun, nach einiger Zeit habe ich endlich nach langer Suche jemanden in Dawson gefunden, auf deren Couch ich schlafen kann. Amanda konnte mir sogar eine Verbindung herstellen zu jemand, der nach Dawson fahren wollte. Am Tag der Abreise dann der Anruf, dass es aufgrund des Autos nicht klappen wird. Doch vielleicht am Tag darauf. Und tatsächlich kam Abends der Anruf, dass es Widererwartens doch nach Dawson gehen soll. Nun sitze ich auf meinem nicht bezogenen Bett und leerem Zimmer, denn erneut kam der Anruf, dass es nichts werden wird. Ich beginne zu glauben, dass ich verflucht bin und diesen Ort nie wieder verlassen werde.

Drehen wir es doch mal um

Schauen wir von der anderen Seite, so habe ich ein paar erste Erfahrungen rund um das Auto sammeln können. Ich weiß nun, dass es klug ist sich vorher über die Versicherung schlau zu machen. Ein paar Dinge, auf die sogar ich als Laie achten kann kenne ich nun auch. Des Weiteren habe ich nun eine fesche blaue Badehose in meinem Besitz. Ein kanadisches OLYMPUS DIGITAL CAMERAKonto habe nach dem Aus des Autos auch eröffnet und mir sogar, nach langer langer Zeit, eine kanadische Handynummer zugelegt. Mir ist einmal mehr bewusst geworden, wie viel Unterstützung ich hier genieße und auch die Couchsurferin in Dawson tut ihr möglichstes. Zusätzlich habe ich mir noch die Toastmasters in Whitehorse angeschaut. Ein non-profit Organisation die weltweit agiert und Seminare anbietet um das Sprechen vor Gruppen zu üben. Beim zweiten Treffen habe ich mich sogar getraut bei den sogenannten Table Topics eine zweiminütige Rede über Facebook beizutragen. Das hat Spaß gemacht und die Gruppe ist ziemlich cool! Den Schnee und die Kälte konnte ich auf einem alleinigen Ski Tagestripp genießen bei dem ich eine gute StreckeOLYMPUS DIGITAL CAMERA des Cross-Country Ski Clubs zurückgelegt habe. Gemeinsam mit den Kids habe ich angefangen Snow Town zu bauen und letzten Sonntag waren Marie und ich los um den Fish Lake Trail zu bestreiten. Das war extremst cool und so derbe windig oben auf den Bergen, dass wir fast weggeflogen wären. Die Landschaft war traumhaft und einmalig und habe Lust bekommen im Sommer mit Zelt und co. durch die Gegend zu streifen. Meine Story für die Kids ist zwar noch nicht fertig, nähert sich in kleinen Schritten aber der Vollendung und ein Paket aus der fernen Heimat hat mich mit Schokolade versorgt.

Vorwärts!

Also, wie ist denn so euer Januar bisher? Besser? Ich hoffe doch! Zumindest würde ich es mir wünschen euch etwas durch meine Erlebnisse zu belustigen. Wenn ich so darüber nachdenke bleibt mir persönlich nämlich nichts anderes übrig. Amanda aus Dawson konnte vielleicht jemanden auftreiben der morgen fahren mag. Ansonsten kennt sie noch jemanden der Freitag über den Highway rollen will. Warten wir es mal ab. Ansonsten werde ich wohl hitch hiken. Der Flug ist mir irgendwie zu teuer und auch möchte ich doch den Highway sehen. Der Yukon Quest rückt ebenfalls näher und mit Glück sehe ich etwas Action davon in Dawson City. Bis es soweit ist werde ich einfach in Snow Town wohnen und in mein Iglo (oder Schneehaufen) ziehen.

Euer Christian

PS: Weitere Bilder gibt es in der Gallerie

6 Gedanken zu „Dann bau ich mir halt ein Iglo“

  1. Ich denke die Rückschläge werden dich weiter bringen als du jetzt denkst – und sei es erst bei einem Autokauf in 1-2 Jahren.
    Du hast dir eine Badehose gekauft? Wo bleibt das Foto, wo du darin im Schnee einen Schneeengel machst?! 😀

  2. Genau Badehosenphotos!
    Mal ohne Spaß,vielleicht sollst du auch einfach dort noch nicht weg? Wolltest du nicht ein bisschen genießen Lernen und dich weniger ärgern-dass scheint mir eine gute Chance zu schauen wie gut du deine Vorsätze umsetzen kannst: Genieße was du hast! (Familie die dich auch dort unterstützt, Kinder die sich sicher freuen dass du da bist und neue Erfahrungen) und ändern kannst du es auch nicht-also ab ins Iglu und an die Arbeit – erbaue Shnowtown und schaff die deine eigene Welt;)

    1. Ich ärgere mich nicht, es ist nur einfach strange und vermittelt mir das Gefühl, dass all meine Bemühungen für die Katz sind. Nun habe ich es zwar endlich geschafft, aber wofür es gut war werde ich wohl nie herausfinden.

  3. Moin Christian. Ich glaube, dass ist der bis dato am stressigsten klingende Beitrag, kann das sein? Klingt alles inkl. Auto sehr nachvollziehbar, aber wiederum ist auch nix wirklich „wild“ -oder? Finde die empfehlung, „das alles“ noch zu genießen, passend. Ist eine super sache, was du alles machst.Das mit den „homophoben“ Farmern klingt iwie nach Klischee: die aufm „Land“ sind etwas hinterher. Naja, finde deine Absage denen ggü. jedenfalls nachvollziehbar…einzig: so werden sie die Meinung vermutlich nie andern.

    Mein Januar ist gut, Vorsätze laufen schleppend, aber sie laufen 🙂 Bin momentan viel am Planen des CA trips im Sommer, freueich riesig drauf!

    So long,

    Chris

    1. Ja, du hast ja recht! Es ist/war nichts wirklich wild. Ich hatte ein Kopf über dem Dach (oder wars anders herum?^^), Essen auf dem Tisch und freundliche Menschen um mich herum. Dennoch hinterlässt es einen faden Beigeschmack das nichts wirklich funktioniert hat. Ja, leider haben sie das Klischee damit voll auf den Kopf getroffen…Ich denke aber auch, dass sie ihre Meinung nicht wirklich ändern würden/ vielleicht sogar wollen. Ansonsten wäre der Punkt nicht ganz oben auf ihrer Liste bei den Informationen.

      Freut mich zu lesen, dass dein Januar offenbar besser verlaufen ist! 😀 Hehe, ist ja nicht mehr so lange hin bis du rüber kommst 🙂 Falls du Fragen hast kann ich diese direkt an die Locals weiterreichen 😉

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