Down south

Die Räder rollen. Der Bus hat sich leicht verspätet in Whitehorse auf den Weg gemacht. Die längste Busfahrt meines bisherigen Lebens steht vor mir und ich mag gar nicht an die vor mir liegenden 35 Stunden denken. Es ist ein weiter Weg nach Calgary und ich habe versucht die günstigste Möglichkeit zu finden. Viele sind nicht an Bord. Mit mir sind es vielleicht um die sechs Leute. Bereits bei der Abfahrt ist es dunkel, aber ich hatte schon vorher damit gerechnet zwar nach draußen, doch nichts von der Landschaft sehen zu können. Es ist wolkenlos. Sterne sind zu erkennen. Ich schlage mein Tagebuch auf und lasse meine persönlicheren Gedanken Revue passieren, während sich eine Frau vorne mit dem Busfahrer unterhält. Sie sich mehr mit ihm, aber er ist höflich. Irgendwann geht sie wieder nach hinten, ich in meinen Reisegedanken vertieft und kommt danach direkt zu mir. Sie hält ein Buch in der Hand und spricht mich an. Schnell kommen wir auf das Tagebuch und somit auf meine Reise zu sprechen. Sie sagt, dass wir jeden Menschen aus einem Grund treffen. Das mag uns im ersten Moment nicht klar sein, aber am Abend wissen wir mehr. Moment, dass kommt mir doch so bekannt vor. Sie drückt mir das Buch in die Hand und schreibt ihre Kontaktdaten auf. Sie fragt mich, wie mir Kanada gefällt. Auf mein: „I love it!“ grinst sie nur und sagt: „Du willst nicht nach Hause, was?“. Ich verneine nicht wirklich. „Dann brauchst du vielleicht einen Sponsor?!“

Die letzten Tage in Whitehorse

Oh nein, nicht DIE letzten Tage in Whitehorse. Es müsste eher „Die letzten Tage vor meiner Fahrt nach Calgary heißen.“ Ich habe bereits jetzt beschlossen wieder zurück zu gehen. Es fühlt sich auch beim zweiten Mal nicht sonderlich gut an zu gehen. Diesmal ist es nicht so wie beim Kennel, aber dennoch. Mein Gefühl sagt mir, dass es noch nicht an der Zeit ist endgültig zu gehen. Hinsichtlich meiner Buserfahrung werde ich mir allerdings ein Flugticket gönnen. Mein eigenes Weihnachtsgeschenk. Wie dem auch sei, die Tage waren wieder einmal sehr schön. Auf einem weiteren tollen Konzert mit Menna habe ich Emma kennengelernt. Eine Holländerin die ebenfalls bei einer Hostfamilie untergekommen ist. Wir haben eine ähnliche Ansicht bezüglich Reisen und teilen mitunter auch dieselben Gründe. Am Dienstag waren Marie, die Kids und ich unterwegs zu einer zugefrorenen See. Schlittschuhfahren war angesagt! Terry lieh mir extra seine Schuhe, die mit zwei dicken Socken sogar recht gut passten. Ein paar Eltern spielten mit ihren Kids Eishockey. Marie meinte nur, dass die Kids von Geburt an so gut laufen konnten. Es war irre zu sehen, so als ob das Laufen auf Eis eine natürliche Fähigkeit ist, die dank der Gene weitergegeben wird. Ich stolperte mich auf dem Eis einen zurecht, hatte aber viel Spaß! Etwas ungewohnt auf einem natürlichen See zu fahren. Teilweise sehr uneben und in der Nähe des Ufers sorgten viele Äste für Stolperfallen.

Konzentrierter Blick. Bloß nicht hinfallen!
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Die Laufwege auf dem Eis und eine Katze
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Abenteuer Watson Lake

Sie hatte tatsächlich mein Interesse geweckt. Auch wenn es nicht schwer zu bemerken war, dass sie bereits leicht angeheitert war. Sie erzählte mir von ihren Kindern und Enkeln, von ihren Leiden und rückte mir etwas dicht auf die Pelle. Sie redete davon, dass ich intelligent bin (Tagebuch schreiben) und schätze mich als erste älter ein als ich tatsächlich bin. Ich könnte für sie die Buchführung in ihrem Unternehmen managen. Aha. Ich wusste nicht recht was ich von ihr halten soll. Es war wieder einmal einer dieser komischen Begegnungen. Sie hinterließ allerdings nicht denselben Eindruck wie die Begegnung in Vancouver. Irgendwann fragte sie mich dann, ob ich Hunger hätte. Sie brachte mir zwei Joghurts, ein paar Weintrauben, eine Wasserflasche, eine Art Bifi und ein bisschen Schokolade vorbei. Sie kümmert sich gerne um ihre Kinder und ich vernahm, dass sie die Leute weiter hinten im Bus auch bereits mit allem möglichen versorgt hatte. Bei einem Zwischenstopp dann die erste unpassende Aktion. Irgendwie kabbelte sie sich mit einem anderen Fahrgast. Beide sichtlich angetrunken. Yey! Beide ließen nicht locker und er wollte einfach nur seine Ruhe, doch sie hörte nicht auf. Während der Weiterfahrtging es dann weiter. Der Busfahrer musste eingreifen und konnte mit einem beherzten: „HEY!! SHUT UP BACK THERE!!“ für Ruhe sorgen. Jedenfalls kurzfristig…Als wir dann in Watson Lake pausierten eskalierte es schlussendlich. Sie wollte sich bei ihm entschuldigen und weckte ihn, worauf er sie schlug. Ja. Ich hab das gar nicht wirklich mitbekommen. Mein Stift setzte in dem Moment meine Gedanken in lesbare Striche um, als ich nur „You hit me on my mouth??” hörte , wollte ich mich gerade umdrehen, doch die beiden pesten schon an mir vorbei. Wft war gerade passiert? Ich war unsicher einzugreifen. Wenig später stand auch schon die Polizei vor dem Bus und ich bekomme mit wie der Angreifer verhaftet wird. Der Busfahrer spricht mich an, ob ich irgendwas gesehen hätte und fragte mich, ob alles okay wäre. Wir kamen ins Gespräch und mussten lachen, denn das gab sicher eine gute Story für mein Tagebuch ab (sie lief mit dem Tagebuch nach vorne und zeigte es ihm).

Kino, Holz und Fugen

Gemeinsam mit Emma und Samuel, einem weiteren Helfer in Whitehorse ging ich ins Kino um Interstellar zu schauen. Nebenbei sei erwähnt, dass es sich lohnt ihn anzuschauen und das der Film von Christopher Nolan wieder einmal zum nachdenken anregt, er jedoch wirklich nicht der Beste von ihm ist. Wir hatten jedenfalls unseren Spaß und direkt im Anschluss interessante Themen rund um den Film und Raum-Zeit Reisen. Da wir höflich gebeten wurden das Kino zu verlassen machten wir uns noch auf den Weg in eine Karaokebar. Wir sangen zwar nicht live auf der Bühne, hatten aber viel Spaß beim zugucken, – hören und mitsingen von unseren Plätzen. Dafür gaben wir uns das Versprechen das nächste Mal auch auf der Bühne zu stehen. Da Emma kein Auto zur Verfügung hatte brachte sie bereits mit leuchtender Tankanzeige nach Hause. Leider wusste ich nicht, welches Benzin das Auto schluckt. Mit schlechtem Gewissen berichtete ich am nächsten Morgen vom leeren Tank und das ich natürlich einen Teil wieder auffüllen werde. Sie lehnten ab, gaben mir ihre Kreditkarte und baten mich das Auto wieder voll zu tanken. Yeah! Die Nacht zuvor sind schwangere Freunde von Marie und Terry ins Krankenhaus gefahren, denn die Wehen setzten ein. Marie bot ihnen Hilfe an und irgendwann gegen 11:30 PM klingelte das Telefon. Hörbar. Ich saß in der Küche und lauschte Musik und habe die ersten Anrufe gar nicht wahrgenommen. Genau so wenig wie Marie oder Terry. Ich musste sie also wecken…Marie zeigte sich dafür aber sehr dankbar. Da hat es doch auch mal sein Gutes länger aufzubleiben. Der Tag darauf war ein Feiertag und irgendwie habe ich nicht wirklich etwas gemacht. Selbst als ich gerade starten wollte nur die Küche Klarschiff zu bekommen meinte Terry, dass ich ruhig die Füße hochlegen soll. Okay! Mittwoch, Donnerstag und Freitag ging es dann wieder los mit dem Feuerholz. Viel lag nicht mehr dort. Am Donnerstag nahm ich mir noch die Fugen im Erdgeschoss vor und bat Marie darum, alles so zu lassen, wenn sie es nicht gerade brauchen. Immerhin will ich auch noch etwas zu arbeiten haben, wenn ich wiederkomme. Der Abschied an der Greyhoundstation in Whitehorse war sehr schön und mir wurde insbesondere die letzten Tage bewusst, wie sehr mir die Familie ans Herz gewachsen war. Für mich war klar: Es geht zurück!

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Sitzen und warten

Die Busfahrt hat mich ziemlich geschlaucht. Nach dem fulminanten Erlebnis in Watson Lake war es relativ unspektakulär verlaufen. So ca. jede zweite Stunde gab es einen kleinen Halt. In der Nacht wurde meist durchgefahren, was sich aber in Alberta änderte, da die Städte dichter beieinander lagen. Die letzten fünf Stunden von Edmonton nach Calgary waren besonders anstrengend. Irgendwie konnte ich nicht recht schlafen und ich hatte das Gefühl, dass die Zeit so gar nicht voran schritt. Nun bin ich jedoch angekommen! Um 6:30 AM in der Früh erreichte mein Ziel und verweilte noch etwa bis acht Uhr in der Lobby. Ich wollte nicht im stockdunkeln durch die Gegend eiern. Ich gönnte es mir mit dem C-Train zu fahren und schoss ein paar Impressionen von der Umgebung. Die Stadt war ruhig und ich sah nicht viele Menschen. Ein paar Autos fuhren vorbei. Viel gegessen habe ich nicht und von gesund will ich gar nicht erst anfangen. Ich fühle mich dreckig und brauche eine Dusche und ein Bett. Was ich von Tammy (die verrückte Frau im Bus) halten soll weiß ich nicht. Ich kann nicht mal sagen, ob sie das mit dem Sponsor ernst meinte oder nicht, noch ob ich interessiert bin es herauszufinden. Der Gedanke klingt gut, aber um jeden Preis? Ich weiß nicht. Heute werde ich erst einmal versuchen etwas von Calgary zu sehen. Zumindest von Downtown, denn die Stadt ist mega groß. Morgen werde ich dann Marlene und Larry wiedersehen, Dienstag, Mittwoch und Sonntag arbeiten und ansonsten Calgary, die Leute und den Art Market genießen. Mit Marie will ich abklären, ob es okay ist, dass ich bereits am 26.11 zurückkomme. Vielleicht verdiene ich ja genug Geld, dass ich mir das Ticket ohne größere Sorgen leisten kann?

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Wer genau hinschaut erkennt sogar eine Werbung für den Art Market!
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Euer Christian

PS: Endlich konnte ich das Bild umsetzen, welches ich schon länger im Kopf hatte 😀

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PPS: Das Fugenbild kommt noch. Irgendwann 😉

2 Gedanken zu „Down south“

  1. Ich hab keine Ahnung wie Du diese lange Zeit im Bus durchgehalten hast, ich wäre durchgedreht. 😉 Und ich kann wirklich verstehen, dass Du zurück fliegen willst.
    Klasse Foto von Dir und den Kids!!!
    Viel Spaß in Calgary!
    Liebe Grüße

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