Handwerk hat goldenen Boden

Es ist nicht allzu lange her, da hörte ich den Satz: „Hier würden alle sofort mit dir tauschen!“ Ist das so? Was denn genau? Das Gefühl der Freiheit? Die Möglichkeit des Work and Travels? Die genaue Tätigkeit? Der Ort? Das Land? Alles? Irgendwie hat mich das zum Nachdenken angeregt. Wenn wir mit unserer Rostlaube, die die besten Zeiten schon hinter uns hat, an der Ampel stehen und neben uns hält ein brandneues Auto, welches uns gefällt, denken wir dann automatisch daran das wir gerne tauschen würden? Wie fühlt sich der Fahrer im brandneuen Auto? Ich habe weder fertig studiert noch die Weisheit mit Löffeln gefressen, doch wenn der Fahrer mit dem brandneuen Auto neben einem noch viel geileren Wagen hält, was denkt er dann? Mir ist klar, dass jeder Mensch anders tickt und es keine Allgemeingültigkeit dafür gibt. Ich kenne dieses Gefühl aber von mir selber auch. Doch ist das wirklich „notwendig“? Wenn ich darüber nachdenke wie ich mich jetzt im Vergleich zu vor der Reise fühle, dann fühle ich irgendwie genauso. Oft. Verdammt! Denn vor der Reise war ich irgendwie neidisch auf die Leute, die ein Work and Travel gemacht haben. Wie haben die das nur gemacht? Nun, während ich gerade selbst dabei bin, bin ich doch nur einer von vielen und obwohl ich Freude darüber empfinde, diesen Schritt für mich gewagt zu haben, sind dort draußen so viele Leute, die noch so viel mehr gemacht haben. Letzten Endes stehe ich mit meinem Auto also wieder an Ampel und es stehen so viele andere geile Fahrzeuge…Die Moral der Geschicht: Vergleiche sind nicht hilfreich. Es ist nicht unser Leben und wenn wir wirklich etwas wollen, dann sollten wir dafür kämpfen. Die andere Moral: Wir sind Menschen und neigen dazu gerne das haben zu wollen, was andere ihr Eigen nennen, oder eben auf deren Lebensumstände. Doch genau in diesem Moment sollte der Fokus eher darauf liegen, was man selbst schon erreicht hat und noch erreichen will. Gar nicht so leicht.

Alltag?

Meine derzeitige Tagestruktur sieht wie folgt aus: Zwischen acht und neun Uhr stehe ich auf und dusche mich. Es ist gerade so eben hell geworden. Vor der Zeitumstellung war es um diese Uhrzeit noch ziemlich dunkel. Ab so ca. neun Uhr frühstücke ich gemeinsam mit Marie, Menna und Eva in der Küche. Meist besprechen wir was über den Tag so anfällt und natürlich auch über Aufgaben für mich. Im Regelfall starte ich direkt nach dem Frühstück meine Arbeit. Dies beginnt in der Küche mit einräumen des Geschirrspülers und säubern von Utensilien die nicht den Weg in mechanischen Schrubber finden. Bis so ca. zwölf Uhr bin ich dann am Abarbeiten von speziellen Aufgaben, um dann pünktlich zum Lunch in der Küche zu erscheinen. Wie schon nach dem Frühstück bleibt die Küche für mich meist der nächste Checkpoint. Dinner ist etwa um sechs Uhr abends. Dazwischen arbeite ich entweder weiter oder spiele mit den Kids. Oder die Kinder mit mir. Je nach Sichtweise 😉 Zum Abschluss galt es noch einmal die Küche anzupacken. Über den Tag verteilt schaue ich nach dem Ofen, lege Holz nach oder Fülle den Vorrat vor der Tür wieder auf und beantworte das Telefon, wenn niemand da ist. Trotz dieser gewissen Routine ist unglaublich viel Platz für Individualität und Überraschung. Genießen tue ich sehr die tiefgehenden Gespräche mit Marie, die sich oft gegen Abend unerwartet einschleichen oder zwischen Tür und Angel. Großartig sind die gemeinsamen Unternehmungen, wie z.B. Mennas Auftritte oder gerade neulich ein schöner Spaziergang im Schnee, wobei die Kids mit ihren Skiern unterwegs waren. Vor jeder (noch so kleine) Aufgabe fragt mich Marie, ob es passt oder ob ich noch etwas anderes zu tun / vor habe. Auch zum Wochenende fragt sie mich, ob ich was Spezielles geplant habe. Meine Arbeit ist nicht sonderlich hart und dennoch wird sie sehr gewertschätzt. Ich habe dadurch wirklich das Gefühl zu helfen und finde es ungemein motivierend. Mittlerweile kann ich sogar das Auto für mich nutzen und bin gerade erst letztens in eine Bar gefahren, um mit sage und schreibe zehn (ich würde ja nun scherzhaft halb Whitehorse sagen, aber es ist die größte Stadt hier im Yukon) anderen Leuten den Klängen von Live-Musik zu lauschen (Blues!). Neben den mir bereits bekannten und nicht unbedingt Spaß bringen Arbeiten wie z.B. Geschirr säubern, habe ich auch ein paar mir unbekannte Herausforderungen. Da seien vor allem Menna und Eva erwähnt, aber beispielsweise auch das Erneuern der Fugen bei der Badewanne im ersten Stock.
Eva

Marie
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Menna (steht ja nicht schon auf der Mütze)
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Menna und ich (glaube ich :-P)
OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Projekt Badewanne

Im Zuge der spontanen Rückkehr war meine erneute Einquartierung natürlich damit verbunden, dass ich weiter aushelfe, was für mich selbstverständlich ist. Sie zählte bereits ein paar Dinge auf, die ich angehen kann. Darunter die Verbesserung der Fugen an der Badewanne. Terry hatte sich schon lange vorgenommen diese Aktion in Angriff zu nehmen, es zeitlich jedoch nie geschafft. Sie zeigte mir das Dilemma. Mit meinem fachmännischen Blick und Nicken stimmte ich ihr zu, dass es wirklich Zeit war, sich diesem anzunehmen. Problem an der Geschichte: Wir beide hatten sowas keine Ahnung davon…Dennoch traute sie mir das zu. Oder sie hatte keine andere Wahl? Mission Impossible konnte also beginnen! Zuallererst reinigte ich das Umfeld gründlich und fing dann bewaffnet mit Kopflampe, Musik und einem Plastik Kratzer an die Masse aus den Fugen zu entfernen. Gar nicht so leicht…und ziemlich dreckig. Im Anschluss reinigte ich noch einmal alles und ließ die Wanne für einen Tag ruhen, denn die Fugen mussten unbedingt trocken sein. Marie hatte bereits alles vorbereit, bzw. mir zur Verfügung gestellt. Silikon samt Pistole lagen einsatzbereit vor mir. Ich baute alles zusammen und schnitt die Kappe vorne ab und drückte. Und drückte…und drückte. Kaputt! Ich drückte solange bis das Silikon hinten wieder rauskam. Na nu, falsche Seite…Eigentlich darf man das keinem erzählen. Da habe ich vor ein paar Tagen gehört, dass meine praktischen Fähigkeiten nicht ausreichen und bekomme prompt eine Bestätigung, weil ich überlesen habe, die Folie im vorderen Bereich zu durchstechen. Ja. Richtig. Überlesen. Ich war so frustriert…Lachen ist aber dennoch erlaubt 😉 Mit der zweiten Silikonflasche (Marie nahm es mit Humor und lehnte meine mein Angebot ab die Zweite zu bezahlen) klappte es dann auf einmal. Nur das ich keinen Plan hatte die Masse sauber zu verteilen. Oh weia… Ich gab mein Bestes und arbeitete mit minimalem Werkzeug, um das Silikon so gleichmäßig wie möglich zu verteilen. Die Badewanne sah aus wie ein Schlachtfeld…

I have no idea what I am doing here! Nein, das ist kein Rasierer.

Achtung! Dieses Bild ist gestellt und zeigt in keinster Weise meine Arbeitsmoral! Aber manchmal relaxen ist schon was…

Raus aus dem Alltag!

Mittlerweile sind die Fugen verheilt und die Wanne wieder in Benutzung. Es schaut zwar besser aus als vorher, aber bei weitem nicht wirklich professionell. Nun habe ich bereits damit begonnen das Spiel erneut zu spielen. Diesmal in der Dusche nebenan. Oh je…aber neue Herausforderungen sind ja genau das, was ich gesucht habe. Auch habe ich bereits begonnen Evas Zimmerwände auszubessern, jedoch ist es nicht passende Farbe…Dort wo vorher weiße Flecken sind, sind nun dunkelgrüne Flecken. Als ich Marie davon erzählte musste sie umgehend lachen…irgendwie war es auch lustig. Nun muss ich nochmal ran, hoffentlich diesmal mit der richtigen Farbe. Die Dusche im Erdgeschoss (die andere Dusche benötigt dann doch mehr als nur Fugen ausbessern, daher der Start an der dritten Duschmöglichkeit) ist soweit gereinigt. Nun heißt es warten bis es vollständig trocken ist. Ich sag es euch…wenn ich wiederkommen bin ich Fu-Gen Meister! Gestern zeigten mir die Kids wie man strickt. Irgend so eine Technik, glaube die heißt „Crusade“. Jedenfalls saß ich den ganzen Abend zusammen mit Marie (sie am stricken) und wir unterhielten uns über Gott und die Welt. Das Gebilde, welches ich nun gestrickt habe ist dadurch ziemlich lang und reicht mittlerweile quer durch Wohnzimmer und Küche. Den Kids gefällt es und fragen mich immer mal wieder, was ich damit eigentlich machen will und haben die verrücktesten Ideen (z.B. Weihnachtsbaumschmuck). Doch ich habe keine Ahnung. Gleichzeitig habe ich heute angefangen Klavier zu lernen. Es hatte mich schon die ganze Zeit angelächelt. Nach einem aufschlussreichen „How to“ Video auf Youtube (wo sind die Noten, eine spezielle Technik, und Twinkle twinkle little star als Stück) kann ich etwas rumklimpern. Macht Spaß und ich überlege ernsthaft es auszubauen! Vielleicht ist es aber auch nur eine Tageslaune…Besser als einfach nur abzuhängen ist es allemal und es macht mir sogar Spaß! Aber ich hocke nicht nur drinnen, sondern genoss gestern auch einen schönen Nachmittagshike im Schnee. Ich freue mich schon darauf, wenn wir Ski fahren werden!

Ein herrlicher Tag zum Spazierengehen!


Art!
OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Unart!
OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Blick auf Whitehorse mit angrenzender Bergkulisse. Ja man, Kanada!
Etwa 0,00000001 % des Alaska Highways

Und die andere Seite. Richtung Westen –> Alaska!
OLYMPUS DIGITAL CAMERA OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Zum Glück kein Nightmare on Elm St 🙂 OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Heiter weiter

Bezüglich der nächsten Zeit habe ich mittlerweile eine Entscheidung treffen können. Der Anruf in der Alpine Bakery hat nachhaltig dazu beigetragen. Ich werde nach Calgary gehen. Oder besser fahren. Der Bus ist bereits gebucht und wird am 14. Nov losdüsen. Dreimal werde ich umsteigen und insgesamt über 35 Stunden unterwegs sein. 35 Stunden…Mir tun meine vier Buchstaben alleine jetzt schon weh, wenn ich nur die Zahl lese. Marlene hat jedenfalls drei Tage Arbeit für mich, der Rest ist Freizeit. Warten wir mal ab, aber dennoch sehr schön, dass ich in ihrer Unterkunft ebenfalls Platz finden werde. Und natürlich bin ich sehr auf den Art Market gespannt und freue mich auf ein Wiedersehen mit Larry und Marlene. Bleiben kann ich bis zum 30. Nov. Danach ist es mein Plan wieder nach Whitehorse zurückzufahren. Es gibt noch ein paar weitere Dinge, bei denen ich der Familie hier helfen kann. Vielleicht kann ich Terry auch beim Weiterbau ihres Hauses in Atlin helfen. Wie lange das alles geht und was danach kommt…keine Ahnung. Es wird Zeit, dass ich ein neues Ziel für mich finde (Klavier!?). Zu aller erst werde ich jedoch Impressionen in und um Calgary sammeln und mit viel Glück bis ins neue Jahr hier bleiben können. Ich lass mich mal überraschen.

Euer Christian

PS: Ein Bild der Fugen werde ich natürlich nachreichen. Nein, ich habe noch nichts bekommen von der Halloween Show. Ja, ich habe mittlerweile auch Winterboots! Bis -55 Grad Komfortzone…wers glaubt, aber bis -40 wären schon schön. Ich hoffe es wird auch einmal so kalt!
PPS: Hier mal der Fahrplan…ich habe soweit es geht rausgezoomt. Und es ist noch immer nicht alles drauf…

Fahrplan_WH_C

4 Gedanken zu „Handwerk hat goldenen Boden“

  1. Wie sehr ich mich darauf freuen, wenn Du mich am Klavier begleiten kannst! Toll!!!! Ach und mein Angebot steht, falls Du Zeit hättest, bei uns muss das Badezimmer ja auch neu ;o)
    Ich bin sehr stolz auf Dich! ❤️

  2. Ich wollte als kleines Mädchen immer klavier lernen…weil meine Oma gesagt hat ich hätte prima Klavierfinger O:) – hatte leider nie den Mut dazu…los lern es und dann imponiere uns!!!! =)
    Die Bilder sind klasse! Ich finde die Mädels jetzt schon sympatisch =).sag mal wenn du mit dem bad durch bist-machstdu dann bei mir gleich wieder? Unser bad braucht auch neue Fugen und ich hab nullAhnung davon wie das geht >.<.
    Es ist echt immer wieder schön zu lesen was du so alles neues lernst und welche kleinen und großen Abendteuer du beschreitest.Mach weiter so!

Schreibe einen Kommentar