Living with the Loneys

„Wir brauchen viele Jahre bis wir verstehen, wie kostbar Augenblicke sein können.“
Ernst Ferstl

Meine Zeit auf der Caverhill Lodge ist vorbei. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Für mich war der Aufenthalt mehr als nur die Erfahrung einer unbezahlten Auslandsarbeit. Der Start war plötzlich und fand im kalten Wasser statt, aber ich bin recht zügig in die Routine der Lodge hineingewachsen. Ich wurde herzlich von Larry und Marlene aufgenommen und unterstützt wo auch immer ich Hilfe brauchte. Gemeinsam mit der anderen Helferin stemmten wir zu viert das Ende der Saison, arbeiten gute zehn Stunden pro Tag, lernten uns kennen und lachten viel. Bald hatte ich das Gefühl nicht nur ein einfacher Helfer, sondern Teil der Caverhill Familie zu sein. Die Gespräche wurden immer persönlicher und mein Wohlseinsgefühl stärkte sich von Minute zu Minute.

Ich habe während der Zeit nicht nur meine eigenen Grenzen überschritten und hinter mir gelassen. Hier sei insbesondere mein Verhalten bezüglich des Essens erwähnt. Gleich zu Beginn habe ich mich als verkorkster Esser geoutet, wurde etwas komisch anguckt, dann aber zu jederzeit tatkräftig unterstützt, nachdem ich es mir zum Ziel gesetzt hatte ALLES zu probieren. Wie oft haben wir gelacht als ich mal wieder das Gesicht verzog, weil ich etwas nicht mochte (schwarze Oliven!). Marlene fragte mich letztens, ob ich noch wüsste, was ich alles probiert habe und wie viel das eigentlich war. Ich meinte darauf zu ihr, dass für mich die Zahl, wie viel ich NICHT probiert habe, wichtiger sei. Diese liegt nämlich bei null. Ich hatte unzählige „virgin times“…Motoren starten, Motorboot fahren, Cookies machen, Feuer starten, Feuerholz herstellen, Kettensäge bedienen, Campen, Fliegen fischen…und natürlich, wie bereits erwähnt, das ganze Essen.

Die Arbeit war nicht mega kompliziert, aber aufgrund der Durchtaktung recht anstrengend. Und ich mochte nicht alles, wie z.B. das Boote auspumpen in den frühen Morgenstunden. Doch das wurde meist mit einem herrlichen Blick auf den Caverhill Lake wettgemacht. Und natürlich vom herrlich duftenden Omelette, welches Larry zubereite (oder die Pancakes). Generell war die Natur wie ein Segen. Ich suchte bereits in Whistler nach unberührter Natur, fand aber nur Chaos und Abzocke vor. Hier fand ich das was ich suchte! Das wilde Kanada in seiner reinen Art. Zwar mit Logging versehen an manchen Orten, aber so traumhaft! Die Stille…die Landschaft…die Tiere…Das Schwarzbären oder Wölfe hier ihr „Unwesen“ treiben stimmte mich zwar nachts auf dem Weg zu meiner Cabin schaurig, aber tagsüber auf den Trails war das kein Problem. Das diese Tiere angreifen sei absolut unwahrscheinlich. Das ist ein Elch wesentlich gefährlicher! Aber auch leichter auszutricksen. Es reicht schon, wenn man sich hinter einen Baum stellt und mit wandert. Aber das stelle ich mir dann doch schon etwas gruselig vor…

Die unzähligen Geschichten von Larry und Marlene könnten Bücher füllen und beide sind ausgesprochen interessante Persönlichkeiten, die perfekt im Team agieren. Der eine scheint ohne den anderen tatsächlich nur eine Hälfte des Ganzen zu sein. Beide lassen die Lodge wie ein Uhrwerk laufen und die Gäste können sich wirklich glücklich schätzen solche Gastgeber zu haben. Es war interessant hinter die Kulissen zu schauen und wirklich erleben zu können, wie das Leben hier auf der Lodge bewerkstelligt wird. Ich habe viel mitbekommen und wurde auch an sehr persönlichen und vertraulichen Dingen Teil haben gelassen. Diese persönliche, herzliche und einfach unbeschreiblich positive Lebensweise hat mich nicht nur begeistert, es hat mich berührt und es mir ermöglicht mich in einer nie erdachten Form weiterentwickeln zu können.

Ich habe nicht nur meinen Horizont erweitern, das Leben echter Kanadier kennen lernen dürfen oder schlicht neue Dinge ausprobieren können. Es ist weit mehr als das geworden, was ich mir beim Absenden meiner Anfrage, ob der Platz noch zu haben sei, erträumen hätte lassen können: Ich habe echte Freunde gewonnen und ein „zu Hause“ geschenkt bekommen! Kein Geld der Welt wäre mir genug um diese Erfahrung und Wertschätzung eintauschen zu lassen! Mit Freude erinnere mich an die gemeinsamen, wenn auch teilweise anstrengenden, Hikes mit John Henry und Haley. Schön war das einfache Zusammensitzen zur Mittagszeit bei bestem Wetter und ein paar Weintrauben. Mit Humor nehme ich es, dass Larry sich gerne darüber witzig machte, wenn das „Grüne“ auf meinem Teller fehlte. Es ist einfach so viel, was sich nicht in Worte fassen lässt. Mir tut es in der Seele weh zu gehen, aber meine Reise geht weiter und wie Marlene bereits gesagt hatte: „This is no goodbye!“

Als ich das erste Mal die Laute der Loon hörte war ich verdutzt. Was zum Henker war das für ein Tier. Die Helferin machte sich lustig über mich. Es ist doch bloß eine Ente. Gleichzeitig meinte sie, dass dieses Geräusch sie sofort an Caverhill erinnert und an all die schönen Dinge hier. Nun, nach einem Monat, weiß ich was sie meinte und fühle ebenso, wenn ich am See sitze, die Sonne scheint, es ruhig ist, das Wasser sich leicht kräuselt während John Henry hinter mir grast und von Larry gestriegelt wird, Haley mal wieder einem Eichhörnchen hinterherjagt, Marlene mich fragt ob wir noch paddeln gehen wollen und gleichzeitig die Loon ruft. Mir wird das hier alles sehr fehlen!

„See you again Loneys and Caverhill! Hello unknown!“

Euer Christian

2 Gedanken zu „Living with the Loneys“

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